Mit Hollywood im Dschungel

Heute gehen wir auf Suche nach wilden Tieren mit einem Führer, quer durch den Dschungel. Den Guide hat uns die Gastgeberin organisiert. Wir stehen früh um 6 Uhr auf der Straße und warten, dass wir abgeholt werden. Wer mich kennt, weiß, dass 6 Uhr früh nicht unbedingt die Zeit ist, in der mein Gehirn am aktivsten ist. Nachdem gegen 6:10 Uhr immer noch keiner vorgefahren ist, würden wir uns eigentlich gern nochmal in unsere Unterkunft setzen. Blöd nur, dass ich hinter uns das Tor geschlossen habe und wir das mit unseren Schlüssel nicht mehr auf bekommen. Nun stehen wir ziemlich verpeilt in der Pampa, während ein Papagei auf dem Tordach uns auslacht. Damit ich nicht ganz blöd dastehe, versuche ich die Situation mit körperlichem Geschick zu retten. Als geübter Kletterer nehme ich Schwung, ziehe mich zum Hoftor hoch und will gerade rüberklettern. Da kommt die Reinigungsfrau aufgeregt an und öffnet die Tür. Ich lasse also wieder los und…..naja. Als ich elegant nach unten springe, „streife“ ich kurz mit meiner Stirn den steinernen Torpfosten. Alles ist okay, auch wenn ich jetzt für die nächsten Tage zwei „Druckstellen“ auf der Stirn trage.

Dann kommt endlich das Auto und drei nette Herren steigen aus. Einer davon ist der Guide, die anderen Beiden begleiten uns als Touristen. Also eine kleine Fünfer-Gruppe. Bis zum eigentlichen Startpunkt ist es eine Stunde Fahrt. Wir kommen ins Gespräch. Die beiden sind ein schwules Paar aus Los Angeles. Einer ist angehender Buchautor, der andere unabhängiger Filmemacher. Da ich an unabhängige Filmemacher aus Deutschland und deren Finanzierungsprobleme denke, frage ich zunächst nicht viel nach. Die Beiden wirken aber sehr locker, bescheiden und etwas aufgeregt. Gerade der Filmemacher kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Denn zum Staunen gibt es auch einiges. Neben der Straße entdecken wir eine Palme, die kunterbunt leuchtet. Scheue Aras, strahlend bunte Papageien, hängen hier auf engstem Raum, um die Früchte des Baumes zu knabbern. Dass man Aras so nah kommt, ist eine absolute Seltenheit. So stehen wir dort eine ganze Weile und fotografieren. Mit dem Vierradantrieb geht es dann weiter durch ein paar kleinere Flüsse. David, der fahrende Buchautor, erntet für jede erfolgreiche Flußdurchquerung Beifall. Allerdings sieht man dem Guide an, dass er ein bisschen Angst hat.

Vom Parkplatz des Nationalparks Corcovado geht es dann für eine Stunde zur Rangerstation. Die Luft ist drückend, der Dschungelpfad sehr eng und die Stimmung gut. Wir unterhalten uns über dies und das. Ich frage dann salopp den Filmemacher, der Wash heißt, was er denn so für Filme macht. „Dramen, unabhängige kleine Filme“. Klingt jetzt für mich nicht sehr spannend. Sein letzter Film hieß „Still Alice“, ob ich den denn gesehen habe. Ich über lege kurz und verneine. Julianne Moore, die bekannte Schauspielerin aus Hollywood, hat dafür den Oscar bekommen. Oh, also ich hatte ein anderes Bild, von einem unabhängigen Regisseur. Einer, der am Hungertuch nagt und nebenbei einem „richtigen“ Beruf nachgeht. Wash und ich reden fortan über viele Filmdinge. Welche Filme er mag, was sein nächstes Projekt ist und vieles mehr. Dann kommen wir an die Rangerstation. Da bemerkt er mein Led Zeppelin-Tattoo und ist hell auf begeistert. Also haben wir noch eine zweite Ebene zum unterhalten gefunden. Doch ab jetzt geht es schnellen Schrittes durch den Dschungel. Wir wollen einen Puma und einen Tapir finden. Tapir sind Tiere, die aussehen, als hätte sich ein Elefant mit einem Wildschwein gekreuzt. Die Luft ist sehr schwül, ab und zu regnet es. Hin und wieder sehen wir ein paar Affen, alte Bäume oder besondere Blüten. Doch wir wollen den Puma. Pumas sind unglaublich scheu und die Wahrscheinlichkeit einen zu sehen ist sehr gering. Aus Jux sagen wir immer wieder, dass wir nicht gehen, bevor wir einen sehen. Wir treffen auf eine andere Gruppe Touristen. Auch die sind etwas verzweifelt auf der Suche nach den größeren Tieren. An Affen, handtellergroßen Schmetterlingen und tropisch-bunten Vögel hat man sich schon fast gewöhnt. Ein kurzer enttäuschender Austausch zwischen den Guides, Kopfschütteln und es geht weiter. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Der Guide geht etwas voraus durch das Dickicht. Dann auf einmal fängt er an wie wild mit den Händen zu wedeln. Alle rennen auf einmal wild durch den Dschungel. Ich selbst habe keine Ahnung, was wir überhaupt gerade jagen. Tapir? Puma? Jaguar? Mit dem Rucksack auf dem Rücken, vorbei an mit Dornen bewaffneten Bäumen und über dicke Wurzeln, bin ich leider auch der letzte bei der Jagd. Immer wieder wird kurz angehalten und auf die Aufforderung ruhig zu sein, kommt die Aufforderung weiter zu rennen. An einer Stelle rieche ich dann, was wir jagen. Es riecht streng nach einer Mischung aus Männerschweiß und Katzenpisse: es kann sich also nur um einen Puma handeln. Wir rennen weiter, bis wir alle auf einem Fleck hocken bleiben. Vor uns, nicht einmal 15 m entfernt sitzt ein Puma im Dickicht und starrt uns an. Wir alle schauen mit Ehrfurcht, Respekt und vielleicht auch mit ein bisschen Angst auf dieses edle Katzentier. Diese geballte Muskelkraft starrt uns noch immer an und weicht nicht von der Stelle. Währenddessen versuchen wir schnell ein tolles Foto zu bekommen. Da es regnet, will ich meine gute Kamera nicht aus dem Rucksack holen. Wash seine Kamera hat den Akku-Geist aufgegeben, da bleibt nur noch Susan’s Handykamera. Der Puma schaut dem Treiben weiterhin irritiert aber konzentriert zu. Dann legt er sich hin. Wir haben inzwischen unser Foto gemacht und beschließen von dannen zu ziehen. Wir lassen das Katzentier Katzentier sein und gehen zurück zum Weg. Mir fällt auf, dass ich wieder der letzte in der Kette bin. Ich erinnere mich an der Rangerstation gelesen zu haben „Niemals dem Puma den Rücken kehren. Niemals!“ Das beunruhigt mich etwas und so schaue ich öfter hinter mich, als vor mich. So stolper ich zu den anderen. Wir haben unseren Puma gesehen. Jetzt fehlt nur noch der Tapir.

An einem kurzen Strandabschnitt legen wir eine Pause ein. Ich schaue mir das sehr interresant geformte Treibholz an, Wash macht einen Spaziergang, David entspannt und Susan quatscht mit dem Guide. Bis er auf einmal verschwunden ist. Nach ca. 15 min sind wir etwas ratlos. Ist er nur mal schnell ins Gebüsch oder setzt er uns jetzt hier aus. Wir sind alle etwas erschöpft und freuen uns schon auf unseren Rückweg. Dann ist der Guide wieder da und verspricht uns in 10 min Laufweg einen Tapir. Wir willigen ein und hetzen wieder durch den Dschungel. Es geht immer bergauf, quer durch das Dickicht. Dann in einem dichten Gebüsch liegt tatsächlich ein Tapir. Wir können es kaum richtig erkennen, trauen uns aber auch nicht näher heran. Dieses große Tier ignoriert uns komplett. Jeder schaut durch das Fernglas und dann drehen wir wieder um. Nun geht es zurück zum Auto, für ca. 2-3 Stunden. Ab und zu fängt es an zu regnen, dann stellt sich wieder erbarmungslose Sonne ein. So ist das halt, im Regenwald. Ich rede mal mit Wash über sein neues Drehbuch und seinen Aufenthalt in Europa 2017, dann rede ich mit dem Guide, wie er dazu kam Guide zu werden. Er habe schon als alles gearbeitet, auch in der Küche und als Kellner. Doch das beste Geld würde man als Touristen-Guide bekommen.

Nach einer anstrengenden Wanderung erreichen wir endlich das Auto. Susan gibt jedem eine Kokosnuss aus, bevor wir losfahren. Allerdings grüne Kokosnüsse, nicht braune. Bei Grünen trinkt man das Innere leer, haut mit der Machete ein Stück der Schale als Schaber ab und isst das etwas glitschige Fleisch heraus. Dann geht es nach Hause. Wash startet mir zu Liebe etwas Led Zeppelin und 70er Jahre Musik. So geht es gutgelaunt nach einem anstrengenden Tag zur Unterkunft zurück. Als wir auf dem Weg noch einmal ein paar Affen sehen, ist kaum einer gewillt das Auto zu verlassen. Alle wollen endlich nach Hause, nur der Guide anscheinend nicht. Vor unserer Unterkunft dann noch einmal eine herzliche Verabschiedung von Allen und dann geht es in das wohlverdiente Bett.

Leider ist mir aber zu dem Zeitpunkt schon klar, dass auch ich krank werde. Leichtes Kratzen im Hals, etwas Schwäche – die Symptome sind bereits da. Leider.

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