Rettungsaktion in Kasachstan

Rettungsaktion 3/3

In den Morgenstunden gibt es nichts neues aus dem Konsulat. Niemand weiß, ob ich die Nacht überlebt habe und was mit mir passiert ist. Es ist für alle Beteiligten sehr schwer die Situation ein zu schätzen. Die Hilflosigkeit lässt verzweifeln. Die kasachischen Behörden stellen sich schräg. Die Mühlen mahlen weiterhin langsam. Doch dann wird die Crew eines freiwilligen Katastrophenschutzes ausgemacht. Man benachrichtigt die Basis und sendet ihnen ein Bild von dem verschollenen Matthias. Die 7-köpfige Crew besteigt den großen Kamov 32 – Rettungshubschrauber (siehe Beitragsbild) und macht sich auf den Weg in die Berge.

Währenddessen in Camp Matthias.

Ich wache auf und schaue nach draußen. Immer noch kein Hubschrauber gelandet. Das mit dem SOS-Signal hat wohl nicht geklappt. Ich erfrische mich etwas, putze mir die Zähne und versuche krampfhaft nicht an die Risiken der vor mir liegenden Strecke zu denken. Dann ist alles eingepackt und verstaut. Wenn doch der Weg wenigstens leicht beginnen würde. Doch vor mir liegt ein Hang, der am Grunde mit diversen Dornengestrüpp und Nadelbäumen geschmückt ist. Als ich mir das so anschaue, beschließe ich meinen Rucksack zu entleeren. Ich brauche jetzt nicht mehr so viel. Gut einen Drittel lasse ich im Gebüsch liegen. Gewürze, Edelstahltopf, Hemden, Handschuhe, Mützen. Das alles liegt jetzt in der Wildnis kasachischer Berge. Aus drei großen Baumstämmen forme ich noch einen Pfeil, der flußaufwärts zeigt. Falls ein Hubschrauber eintrifft, soll dieser sehen, wohin ich gegangen bin. Dann geht es los. Nach zwei Minuten komme ich schon wieder an den Abhang mit dem Baum. Das ist frustrierend. Gestern bin ich abgerutscht und konnte mich am Baum festhalten. Und heute? Ich nehme einen dickeren Ast, schiebe ihn über das kleine Gefälle und hoffe, dass er mich trägt. Langsam stelle ich mein Bein auf den Ast und verlagere mein Gewicht. Der Ast zerbricht unter meinem Gewicht und ich rutsche nach unten und kann mich wieder am Baum festhalten. Das Glück ist mir also weiterhin hold. Das motiviert mich und ich laufe schneller als die Tage zuvor den ganzen Weg zurück. Es geht wieder durch Dornensträucher, über Felsen, über Geröllabhänge und durch den kalten Fluss. Ich trage jetzt auch meine guten Wanderstiefel im Wasser, die ja eigentlich nicht nass werden sollen. Aber sie bieten mir einen besseren Halt auf den rutschigen Steinen, als meine Trekkingsandalen.

Als ich gerade wieder über ein paar spitze Felsen steige, passiert es. Ein Hubschrauber kommt mir entgegen. Ich bin so erstaunt, dass ich gar nicht wirklich reagieren kann. Es dauert eine Zeit lang, bis ich registriere, dass hier meine Rettung ist. Dieser Hubschrauber ist für mich gekommen, es ist mein Ticket aus den Bergen. Keine riskanten Abhang-Überquerungen mehr, keine Dornen, Spinnen, nasse Füße oder Bären mehr. Doch ehe ich mich versehe, fliegt er auch schon weiter. Ich springe und wedele mit meinen Trekkingstöckern hin und her. Er dreht und kehrt zurück zu mir. Er hat mich gesehen. Endlich. Kurz über mir fliegt er sehr langsam vorbei. Er schaut womöglich, wo er landen kann. Die Tür des Hubschraubers wird bestimmt gleich geöffnet und die Leiter herabgelassen. Doch nichts von dem passiert. Der Hubschrauber fliegt weiter. Ich komme mir total verarscht vor. Das ist doch MEIN Hubschrauber. Meiner! Ich habe niemanden in der Nähe gesehen, der ihn noch gerufen haben könnte. Doch er ist weg. Ich will gerade meinen Weg fortsetzen, als er wieder an mir vorbei fliegt. Wieder mache ich auf mich aufmerksam. Doch auch dieses Mal keine Leiter, keine Landung. Dieser Prozess wiederholt sich 9 mal. Sehen, winken, enttäuscht sein. Dann habe ich eine Idee. Als ich wieder einmal auf ein paar größere Felsen stehe, kommt mir der Gedanke, dass der Hubschrauber vielleicht keine Leiter hat und ich wieder nach unten zum Fluss muss. Also steige ich bergab, gehe durch den Fluss und stelle mich auf ein paar Steine in der Mitte des Gewässers. Dort warte und hoffe ich. Minuten ziehen sich in die Länge. Wird der Hubschrauber noch einmal wieder kehren? Tatsächlich, er kommt zurück. Dieses Mal sieht er mich ganz bestimmt. Er fliegt über mir hinweg, dreht und lässt sich nieder. Meine Erfahrungen mit Hubschraubern sind sehr begrenzt. Nächstes Mal weiß ich aber, dass man einen gewissen Abstand einhalten sollte. Nein, direkt darunter stehen und warten, bis er neben ein landet, kann gefährlich werden. So werden mir, kurz bevor ich endlich aufatmen kann, Steine, Sand und Wasser ins Gesicht geschossen. Dann öffnet sich eine Tür. Ich renne hin, klettere über eine kleine Leiter hinein und liege auf dem Boden des Helikopters. Sechs nette Kasachen schauen mich an. Die erste Frage, ob ich denn englisch spräche. Danach, ob ich verletzt sei oder Beschwerden hätte. Ich bejahe das eine, verneine das andere. Ich bin gerettet. Endlich. Alles wird gut. Oder doch nicht?

2 Gedanken zu „Rettungsaktion 3/3

  1. Was ist denn das für ein Abschluß, Mensch? Ich bitte um einen letzten zusammenfassenden Beitrag, wie du die Reise nach Hause erlebt hast, alle Leute beruhigt hast etc. So darf der Blog nicht enden.

    • Marcy, du hast natürlich Recht. In den letzten Wochen musste ich mich um so einige Dinge kümmern. Da blieb das Schreiben auf der Strecke. Ich werde mich aber gleich mal ransetzen!
      Danke für das Interesse! 😉

      Grüße

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