Rocinante gegen Allah

Heute fahre ich einfach mal mit Rocinante durch die Stadt. Das hört sich immer so einfach an. Ich muss aber immer erst den Ölberg hinunter und dann neben der Altstadt wieder den Berg herauf. Mit der Sonne im Nacken und den vielen Touris vor mir schon ganz schön anstrengend.

Wie ich so durch Jerusalem fahre wird eines ganz klar: Diese Stadt eignet sich überhaupt nicht zum Fahrrad fahren. Nach 4 Stunden sehe ich zum ersten Mal ein Fahrradweg-Zeichen. Das erste Verkehrszeichen, was darauf schließen lässt, dass in diesem Land überhaupt Fahrrad fahren erlaubt ist. Bisher habe ich sieben Radler gesehen, größtenteils Touristen natürlich.

Wie ich so neben der Altstadt den Berg hinunter fahre und immer wieder bremse, frage ich mich, ob denn meine Scheibenbremse nicht dabei heiß wird. Ich halte kurz an und überlege. Es gibt nur einen Weg das herauszufinden: nur mal ganz kurz anfassen. Aha, die Scheibenbremse ist tatsächlich heiß. Meine Haut ist verbrannt und so langsam bildet sich eine Brandblase. Physik- und Biologielernstunde in kürzester Zeit.

 

Das moderne jüdische Viertel in Jerusalem sieht aus, wie eine ganz normale, sehr saubere moderne Stadt. Viele kleine Läden, Cafes oder Restaurants. Die Bürgersteige sind sauber, kein Grafitti, kein Dreck oder Müll. Die Menschen tragen moderne Kleidung, hier und da ein Jude mit seinem Mützchen. Die Frauen wirken sehr emanzipiert, tragen Designer-Kleidung, Sonnenbrillen, Handtäschchen und am Ohr ein Smartphone. Das Bild einer ganz normalen Stadt eben.

Ich fahre ein paar Straßen weiter und komme zu den Palis. Hier herrscht ein ganz anderes Bild.
Die Straßen sind uneben, weisen große Schlaglöcher auf. Einen Bürgersteig gibt es kaum. Die Häuser sind marode, einsturzgefährdet und sehen jämmerlich aus. Scheiben sind kaputt, in den Vorgärten liegt Müll. Hier würde doch niemand freiwillig wohnen. Es gibt kaum Läden, keine Geschäfte. Nichts ansatzweise positives, was eine Stadt bieten könnte, existiert hier. Mich beschleicht ein bedrückendes Gefühl. Ich möchte so schnell wie möglich diese Gegend verlassen aber trotzdem zieht mich diese Welt auch an. Hier fahren keine Touristen-Busse durch, hier kommt niemand her mit seiner Kamera und fotografiert. Hier bin ich allein. Ab und an beobachten mich verwundert ein paar Pali-Kinder. Diese wühlen im Dreck auf den Straßen und grinsen mich manchmal so seltsam an. Da geht mir ein leichter Schauer über den Rücken. Vor allem, als ich ein kleines Kind auf einem neuen, teuren Mountainbike fahren sehe. Wem gehörte dieses Fahrrad? Weiht dieser noch unter den Lebenden? Werde ich der nächste sein? Ich schaue kurz auf Rocinante, bekomme es mit der Angst und trete in die Pedalen.

Was mir ebenfalls auffällt: Die unterschiedliche Rolle der Frau. Im modernen Jerusalem, wie schon oben beschrieben, sehr modern. In Designer-Kleidung gehüllt, mit dem neusten Handy ausgestattet und ein selbstbewusster Gang. Bei den Palis erkennt man meist nur ein paar fliegende Augen. Alles andere ist eingehüllt in einem schwarzen Gewand. In Tempeln und religiösen Gebäuden gibt es trotz der modernen Jüdin immer noch getrennte Eingänge. Diese werden allerdings von Männer und Frauen mit Maschinengewehren bewacht.

Ganz ehrlich, und das wird sicherlich die Quintessenz aus dem Urlaub hier sein, wenn man nicht wirklich auf den Mist hier abfährt, also Ikonenbilder, überall Kreuze, Allah Akbahr zu jeder Tageszeit und überall Männer in Strumpfhosen und lächerlichen Hüten, …wenn man nicht wirklich darauf abfährt, kann man sich hier ganz schnell jegliche Sympathie für Religionen abgewöhnen.

In dem Sinne,

Einen frohen Heiligabend (hier ist es bereits soweit)

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