Die Mauer in Israel

Gestern war das Internet tot, deshalb gab es keinen Tagebucheintrag.

Gestern war ich kurz im muslimischen Viertel unterwegs. Das erste was passierte war, dass mich jemand ansprach. So weit, so gut. Dann wollte er mir Postkarten verkaufen. Okay, ich bin nicht gerade der Postkartenschreiber aber an jemand anderen wird er die Dinger schon los werden.  Er stellte sich genau vor mich, drückte mir die Postkarten fast direkt in den Bauch und kaute mir ein Ohr ab. Ich ging auf Distanz und bemerkte, dass meine Gürteltasche zur Hälfte geöffnet wurde. Ich drehte mich also um und verließ das muslimische Viertel wieder. Meine erste Begegnung war also nicht sehr einladend. Ich hatte Glück, dass mir nichts abhanden gekommen ist. Nicht auszudenken, wenn mir hier in Israel mein Pass geklaut worden wäre. Die lassen mich doch nie wieder zurück nach Deutschland.


Ich habe gestern auch gemerkt, dass ich doch alle heiligen Stätte der Welt eintauschen würde um zu Hause in Lauchhammer bei einem genüsslichen Teller Kartoffelsalat zu sitzen. Naja, Heiligabend mal anders, aber definitiv mit Erkenntnis.

Heute geht es aber wieder ab ins Abenteuer. Ich habe mir mal die jordanische Wüste rausgesucht. Die ist hier gleich um die Ecke. Eine Tagestour in die Wüste mit dem Rad. Warum nicht? Zuerst fahre ich an den vielen Touristen vorbei, die den Ölberg besuchen. Scharenweise rollen hier die Reisebusse an. Kurz aussteigen, Fotos machen, wieder einsteigen, abfahren. Ich muss aufpassen, dass ich nicht unachtsame Japaner umfahre.

 

Zu meiner linken Seite steht eine Steinmauer, ca. 8m hoch. Diese Mauer zieht sich entlang der Straße, auf der ich fahre. Ab und an gibt es kleine Lücken, die vom Militär bewacht werden. Dahinter wird mit vielen Baggern und Baufahrzeugen neue Siedlungen gebaut. Ich möchte mir das schon einmal gern ansehen. In meinem Rucksack befinden sich aber Schraubenzieher, Taschenmesser und anderes Werkzeug, was die Aufmerksamkeit der Militärpolizei auf mich ziehen könnte. Weil ich keine Lust habe, mich mit einem dieser jungen Wehrpflichtigen mit Maschinengewehr auf eine Diskussion einzulassen, Zumindest nicht unter diesen Umständen.

 

Ich fahre weiter und weiter und weiter und das Gelände sieht schon langsam nach Wüste aus. Ich freue mich, mein Rocinante ist leicht skeptisch. Doch dann ist die Straße zu Ende. Einfach so. Hier noch Asphalt, dort nicht mehr. Nein, auch kein Weg. Aber eine Mauer. Es ist die gleiche Mauer, die bisher an der Straßenseite langlief. Nun hat sie die Straße getrennt in dort wo ich stehe und dahinter. Ich schaue nach links und bemerke eine Art Grenzübergang. Viele Autos und Menschen stehen hier an um auf die andere Seite der Mauer zu kommen. Ich lerne auf einmal ein Gefühl kennen, was ich bis dahin noch nicht kannte: freiheitliche Einschränkungen. Ich muss auch gestehen, dass ich das nicht verstehe. Straße zu Ende, Mauer da, Weiterfahrt nicht möglich. Was soll das? Ich stehe etwas ratlos vor dieser Mauer und schaue mich um. Ich bin jetzt circa 3 Stunden hier her gefahren um nun nicht weiter zu kommen. Keine Wüste. Mein Fahrrad freut sich. Wenigstens einer. Schwerenmutes drehe ich mich um und fahre zurück. Ich habe weiterhin ein beklemmendes Gefühl.

Auf dem Weg zurück treffe ich auf eine Schafherde, die auf der Straße spaziert. Das heitert mich etwas auf. Die Gegend sieht sehr trostlos aus, wenig grün, viel durch die Hitze verbrannt. Doch dann doch etwas grünes. Ein kleiner Hügel, direkt rechts neben der Straße. Ich denke an ein Downhill-Abenteuer, also schnell den Hügel herunter zu rasen. Zu dem Zeitpunkt weiß ich nicht, dass Rocinante ganz besonders große Angst davor hat. Warum? Weil auf seinem Fahrradrahmen steht “Nicht für downhill geeignet”. Aber wie gesagt, das weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht und biege rechts ab und schaue mir den grünen Hügel mal genauer an. Es stellt sich heraus, dass hier ein ganz kleiner niedlicher Park, mit vielen unterschiedlichen Bäumen ist. Kein Mensch, weit und breit. Wunderschön angelegte Wege, unterschiedliche Sträucher und exotische Pflanzen. Zudem ein Blick in die israelische Hügellandschaft rund um Jerusalem und eine angenehme Ruhe. Ich fahre über die Wege und versuche gleichzeitig mit meinem Fahrrad ein paar technische Tricks. Kleine Treppe hoch, vorsichtig kleine Treppe herunter. Das kann ich. Dann schaue ich mir ein Weg querfeldein an, der vom Hügel wieder herunter führt. Dann geht es los. Durch das hohe Gras, durch Dornenbüsche und über spitze Steine. Ab und an sehe ich Löcher in den Steinen, die  in den tiefen Boden führen. Warum und wohin – keine Ahnung. Ich muss halt etwas vorsichtig sein. An einem Stein bleibe ich hänge und falle fast zur Seite um. Doch ich kann mich halten. Kurzer Blick nach rechts und links – niemand hat meine kleine Unsicherheit gesehen. Es kann weitergehen.

Dann sehe ich ein Schild, am unteren Ende des Hügels. Noch durch ein paar Sträucher, ein, zwei Steine und dann bin ich unten angelangt. Was steht denn auf dem Schild? Aha, das ganze ist also eine archäologische Fundstelle und aus Sicherheitsgründen ist das Verlassen der Wege strengstens untersagt. Okay, zur Kenntnis genommen. Ich schwinge mich auf mein Fahrrad und fahre zurück nach Jerusalem.

In der Stadt angekommen fahre ich noch einmal um die Altstadt, bevor es wieder bergab Richtung Ölberg geht. An den weißen Mauern der Altstadt vorbei, umfahre ich im schnellen Tempo ein paar Touristen, Militärpolizisten und Taxifahrer. Der pfeift mir um die Ohren und alles ist toll. Bis ich auf einmal feststelle, dass vor mir ein paar Treppen sind. Ich überlege kurz. Keine Chance zum Ausweichen. Jetzt abbremsen wäre auch peinlich. Einfach runterspringen? Ist mein Fahrrad dafür geeignet? Auf dem Aufkleber am Rahmen steht “nicht für Sprünge geeignet”. Aber das weiß ich zu dem Zeitpunkt nicht. Ich überlege noch. Doch dann sind sie da. Ich erinnere mich an die Techniken. Lenker mit den Händen nach oben ziehen, Gewicht nach hinten verlagern und versuchen mit dem Hinterrad zu erst auf zu kommen. Es sind nur 5 Stufen. Sollte machbar sein. Ist es auch. Das Fahrrad landet hart aber alles bleibt intakt. Es bleibt mir allerdings kaum Zeit, mich über mein tolles Fahrrad zu freuen. Die nächste Treppe kommt. Wieder ein Sprung, eine Landung und Begeisterung. Ein Lachen macht sich auf meinem Gesicht breit. Ja, die hohen Kosten des Fahrrads waren gerechtfertigt, die Investition hat sich ausgezahlt. So rolle ich gen Ölberg, bevor es wieder steil bergauf zum Hotel geht.

Alles in Allem war das heute wieder ein tolles Abenteuer. Wenn ich kurz verweile und mir vorstelle, was die Einheimischen hier für Abenteuer erleben, dann klingelt es bei mir sofort. Klingelt? Nein, es klingelt nicht, denn es hupt. So, oder so ähnlich muss das hier ablaufen:

Hey Achmed, was machen wir denn heute?
Keine Ahnung!
Wie wäre es denn mit Wüste, Totes Meer, Party in Tel Aviv oder Sehenswürdigkeiten?
Nee, kein Bock.
Ach, ich weiß was. LASS UNS DOCH INS AUTO SETZEN UND HUPEN !!!!!!!!!!! LASS UNS DOCH DEN GANZEN BESCHISSENEN TAG EINFACH HUPEN. DENN DAS MACHT RICHTIG VIEL LAUNE!

Ja, ja. Läuft schon. Hupt ruhig weiter. Ich gehe jetzt schlafen. 1 Uhr fängt der Hahn wieder an zu krähen, 1:30 gesellt sich der Hund dazu. Ab 6 Uhr… na? RICHTIG! HUPEN!

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