Betlehem Israel Matthias Uhrlandt Jesus

Jesus, RTL und Moabit

Als ich heute zum Frühstück gehe, habe ich nur ein Ziel. Nein, es sind nicht Brötchen, Kuchen oder andere Leckereien. Nein, es sind die heißen Pilger-Häschen. Die müssen ja hier irgendwo sein. Weihnachten steht bevor und ich bin in Jerusalem, dem Ort des Geschehens. Also ziehe ich meine hautengen Sportsachen an, meine Jeans und meine roten Turnschuhe. Zielsicher betrete ich den Frühstücksraum. Doch dann die Enttäuschung. Nur komplett verhüllte Frauen. Wo ich nur hinschaue Burkas. Die Liebesgöttin persönlich könnte hier direkt neben mir sitzen und ich würde nur schwarzen Vorhang sehen. Als ich den Raum betrete schauen mich alle sehr verstört an. Zumindest kann ich das bei den Blicken der Männer erkennen. Die Blicke der Frauen bleiben verschleiert.

Nach dem Frühstück gehe ich nach draußen. Ich habe noch keine Ahnung, was ich heute unternehmen werde. Die Sonne lacht, das Wetter ist super. Ich gehe zuerst einmal den Ölberg hinunter. Ein wirklich beachtliches Gefälle. Am Boden des Berges quatscht mich ein Taxifahrer von der Seite an. Ich will schon gehen, doch dann stellt er die alles entscheidende Frage: „Was willst du heute machen?“ Ja, das wusste ich halt nicht. Da bot er mir eine Fahrt nach Betlehem an. Dazu noch das Versprechen „No Happy, no money“. Auf dem Weg dorthin sehen wir auf der Straße ein junges Mädchen, für die wir anhalten. Der Taxifahrer scheint sie bereits zu kennen. Ein kurzer Plausch und das Mädchen sitzt hinten auf der Rücksitzbank. Wie sich herausstellt ist es tatsächlich eine dieser heißen Pilgermädchen. Nein, Moment, heiß ist sie nicht. Sie ist depremiert, dick und Amerikanerin. Nein, das soll nicht bösartig klingen. Ich gehe nur mein Ausschlussverfahren durch.

Zu dritt fahren wir dann nach Betlehem. Ab und zu bescheinigt mir der Taxifahrer „deutsches Schweigen“, da ich nicht so wirklich Lust auf reden habe. Vor allem nicht mit der Amerikanerin. Nach einer langen Fahrt durch sehr dreckige Gebiete (laut Taxifahrer haben die Palästinenser nicht das nötige Geld eine vernünftige Recycling-Wirtschaft zu betreiben), kommen wir schließlich in Betlehem an. Was mich als erstes stutzig macht: Direkt vor der Geburtskirche Christi steht ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum. Was soll das? Egal, ich habe keine Zeit etwas zu hinterfragen, denn es kommt auch schon der nächste Palästinenser an und übernimmt uns als kleine Reisegruppe. Von nun an schreibe ich liebevoll “Pali”, mögen es mir erzkonservative Palästinenser, die meinen Blog verfolgen, verzeihen. So gehen wir als nun zu viert durch die Kirche, die um den heiligen Platz Christi Geburt gebaut wurde. Ich vermisse ja währenddessen irgendwie die Stall-Optik. Stattdessen hängen sehr viele goldene Ketten mit sehr viel Klimm-Bimm von der Decke. Überall Menschen, Scharenweise. Dann kommen wir innerhalb der Kirche genau an den einen heiligen Ort, dort wo das kleine Jesuskind einst vor ca. 2000 Jahren lag. Jetzt liegt dort ein Stein, ein paar Kerzen, abgetrennt durch ein Gitter. Viele Menschen küssen den Stein, weshalb auch immer. Aber Glaube soll ja Berge versetzen. Was mich wenig verwundert ist, dass hier auch deutsche sind. Was mich aber verwundert, dass die deutschen Teil des RTL-Kamera-Teams sind. Okay, also der Weihnachtsbaum draußen vor der Kirche war schon schlecht, der hängende Klimm-Bimm in der Kirche war noch schlechter. Aber eine RTL-Moderatorin mit Kamerateam vor dem zu küssenden Jesus-Stein… das ist nun der Gipfel des schlechten Geschmackes.

Ich küsse den Stein nicht und gehe einfach weiter. Dann gelangen wir an die “Tür der Vergebung”. Diese ist gesegnet vom Papst persönlich. Wer hier durchgeht, dem werden alle Sünden vergeben. Ich denke kurz an meine Sünden, gehe durch die Tür und es merke keinen Unterschied. Nichts. Für einige Sachen fühle ich mich immer noch schuldig (wie der angebrannte Teppich im Wohnzimmer meiner Eltern), andere lassen mich weiterhin kalt (mutwillige Zerstörung des Schneidezahns von Emmanuel Scholz in der 2. Klasse).

Ich verlasse etwas enttäuscht die Kirche, frage mich kurz, was ich mir dort überhaupt versprochen habe und schaue meinen Guide an. Die Amerikanerin ist nicht mehr zu sehen. Verschleppt? Kaum, die nimmt doch keiner. Verirrt? Vielleicht. Mir egal, denn ich habe langsam Hunger. Der Guide führt mich zurück zum Taxi. Der Fahrer erzählt mir, dass er mich jetzt mit nimmt zu seinen Freunden, was essen. “No Happy, no money!” Ist ja okay, dann fahre mal. Wir fahren durch sehr enge Gassen, vorbei an uralten Lehmhäusern. Hier sieht es wirklich noch so aus, wie vor ganz langer Zeit. An einem Souvenirshop (wer hätte das gedacht) halten wir an. Draußen brennen ein paar Ölfässer, als praktische Grills mit leichtem Nah-Ost-Charme. Ich geselle mich zu den anderen drei dunkelhäutigen Männern. Es ist still.Ich bin hier der einzige Tourist. Ich weiß nicht so genau, ob ich gleich einen Döner oder eins auf den Hinterkopf bekomme. Jetzt werden die Grillutensilien nach draußen gebracht. Es gibt also wirklich was zu essen. Schawarma. Sehr, sehr lecker. Zwar als Fingerfood aber das ist gerade originell. Ich komme langsam mit den anderen ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass einer der Palis hier am Grillfeuer auch mal in Berlin war. Er fragt mich, wo ich denn wohn in Berlin. “Moabit!” Dann fängt er an zu lachen und erzählt, dass er im Moabiter Theater ein halbes Jahr gespielt hat. Wie klein doch diese Welt ist.

Nach dem köstlichen Mahl betrete ich den Souvenirshop. Ich kann hier nicht weg, ohne nicht wenigstens eine Sache zu kaufen. Holz-Maria oder Holz-Jesus. Da Mutter evangelisch ist dann doch eher den Holz-Jesus. Als ich noch eine Kette kaufe stellt sich erst später heraus, dass der aufgedruckte Preis nicht Schekel, sondern Dollar waren. Naja, Pech gehabt. Und eine schöne Kette. Dann geht es auch schon fast wieder zurück nach Jerusalem. Auf dem Weg zum Taxi treffen wir die  Amerikanerin wieder, die aus irgendeiner Gasse kommt.

 

Alles in Allem war es ein großartiger Tag, der an kuriosen Situationen kaum zu übertreffen ist.Als wir wieder in Jerusalem ankommen, bezahle ich den Taxifahrer, gebe ihm noch etwas Trinkgeld. Die Amerikanerin steigt aus und ist verschwunden. Sie hat an diesem Tag gar nichts bezahlt. Ja, doch, das ärgert mich etwas. Wenn sie denn wenigstens etwas sympathisch gewesen wäre.
PS: Heute ist der 21.12.2012 und die Welt ist nicht untergegangen. Man, Weltuntergänge sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

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