F26, Sprengisandur, Island, Matthias Uhrlandt,

Der Gang durch die Zwischenwelt

Von Laugafell nach Norden

Als ich früh aufwache, ist es immer noch feucht in Laugafell. Die Luft, das Zelt – alles. Ich will einen Blick zur Hütte riskieren aber die Hütte ist weg. Verschwunden im Morgennebel. Der Nebel soll den ganzen Tag so dicht bleiben. Ich packe meine Sachen zusammen und verabschiede mich bei den Hütten-Wärtern. Als ich nach dem Wetter frage wird klar, dass es die nächsten Tage etwas ungemütlicher wird. Das einzige was mir in diesem Moment Sorgen bereitet ist, ob mich die Autofahrer rechtzeitig wahrnehmen werden auf der Straße.

Meditation im Nichts
821 in Island

Straße 821 in Island

Bei einer Sichtweite von unter 100 gleicht meine Wanderung einem Trainingsprogramm auf einem Laufbahn. Ich sehe so gut wie nichts von meiner Umgebung, starre auf den Boden und kann Entfernungen überhaupt nicht abschätzen. Hier verliere ich jegliches Gefühl für Zeit und Raum. Zu meinem Glück kommen so gut wie gar keine Autos auf der Strecke. Vielleicht ist es zu gefährlich unter diesen Bedienungen hier zu fahren. Ich jedenfalls laufe und laufe. Es gleicht einer Art Meditation in einer Zwischenwelt. Es ist absolut ruhig, nur manchmal pfeift der Wind mir um die Ohren. Wieder einmal habe ich das Gefühl, der einzige Mensch auf diesem Planeten zu sein.

 

Der schwierige Abstieg zum Fluß
Blick ins Tal

Blick ins Tal

Ich weiß, dass irgendwann links und rechts von mir große Berge und ein großer Fluss auftauchen, doch ich kann nichts sehen. Diese Ungewissheit ist dahingehend besorgniserregend, dass ich solche drastische Landschaftsveränderungen gern rechtzeitig wüsste. Dann passiert es. Es geht etwas bergauf, etwas bergab und dann höre ich einen Fluss. Ich gehe etwas neben den Weg (ich muss aufpassen, dass ich ihn im Nebel wiederfinde) und schaue hinab. Genau, ich schaue hinab. In dem Moment wird mir zum ersten Mal seit vielen Tagen bewusst, dass ich die ganze Zeit in einem Hochland umherlaufe, welches 900m hoch ist. Ich stehe bereits auf den Bergen. Nun geht es bergab zu dem Fluss. Dieses Unterfangen stellt sich als sehr riskant dar. Steile Abhänge, rutschiger Untergrund und zum Teil völlig überflutete Wege machen das Vorwärtskommen schwer. Zudem hängt immer noch dichter Nebel in der Luft. Ich kann nicht wirklich erkennen, wie der Weg nach der nächsten Kurve verläuft.

Allein unter Schafen

Unten im Tal angekommen laufe ich zwischen zwei engen Steilwänden entlang des Flusses nach Norden. Es hat schon etwas beklemmendes. Überall Nebel, das laute Tosen des Flusses und die bis in die Wolken ragenden Steilhänge an den Seiten. Doch welch Überraschung, hier wird es sogar mal wieder etwas grün. Links und rechts vom Fluss liegen ein paar Wiesen mit Schafen. Ja, sehr viele Schafe, die mich nun natürlich völlig entgeistert anstarren.

Erinnerung an Kasachstan

Auf einer Wiese neben dem Fluss baue ich mein nasses Zelt auf. Heute bin ich mehr als 40 Km gelaufen, fühle mich aber noch nicht wirklich schlapp. Kurz vor meinem Zeltaufbau treffe ich noch Wanderer. Sie gehen von Norden nach Süden, das können also keine Deutschen sein. Es sind tatsächlich Isländer an ihrem zweiten Wandertag. Ich wünsche ihnen viel Glück und besseres Wetter. Abend im Zelt erinnert mich das laute Rauschen des Flusses direkt neben dem Zelt ein wenig an Kasachstan.

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